Johannes Breckner/Darmstädter Echo
17. Nov. 2021
Ein Pfarrer und ein Organist bringen Rockmusik in die Kirche
Passt Rockmusik in die Kirche? Unbedingt, finden Pfarrer Gerhard Schnitzspahn und Organist Bernhardt Brand-Hofmeister. Mit groß besetzter Band haben sie die erste CD aufgenommen.
DARMSTADT. Richard Berg ist ein Konzertveranstalter, der sich um sein Publikum sorgt. Als er einmal das Darmstädter Projekt „D.O.O.R.“ zur Dieburger Orgelmeile einlud, warnte er vorher die älteren Besucher: Auf dem Programm stehe Rockmusik, und die könne ziemlich laut werden. „Das will ich doch schwer hoffen“, antwortete ein Mittsiebziger.
Information
- D.O.O.R. ist der Versuch, Klassiker der Rockmusik mit der Kirchenorgel zu verbinden. Dabei steht D.O.O.R. für Deep Organ On Rock. - Die CD gibt es unter: https://shop.organophon.de/produkt/d-o-o-r-deep-organ-on-rock/
„D.O.O.R.“ kommt aus Darmstadt, hat in der Johannesgemeinde seine Heimat, und die Frontmänner der Band sind Organist Bernhardt Brand-Hofmeister und Gerhard Schnitzspahn, der als Pfarrer und Rock-Fan gerne auch zur E-Gitarre greift. Der Klang von Kirchenorgeln passt ausgezeichnet dazu, nicht zufällig entdeckten viele Bands der Siebziger die Orgel für ihre Sound-Kreation. Der Bandname steht für „Deep Organ on Rock“, für Kenner eine leicht zu entschlüsselnde Anspielung auf das legendäre Album „Deep Purple in Rock“, auf dessen Cover die Köpfe der britischen Band in Stein gemeißelt sind wie die US-Präsidenten am Mount Rushmore. Jetzt hat die Darmstädter Truppe noch eins draufgesetzt: In dieser Woche ist die erste CD der Band erschienen, aber über dem Fels thronen die Orgelpfeifen.
Für Richard Berg und seinen Musikverlag „Organophon“ ist es die fünfzigste Produktion – und die wahrscheinlich aufwendigste. Nicht nur, weil „D.O.O.R.“ in seiner knapp zehnköpfigen Stammbesetzung die Aufnahmetechnik herausfordert. Es dauerte auch, bis die Rechte an Songs von Deep Purple, Santana oder Chicago eingeholt waren. Und für die letzte Abmischung leistete sich Berg das Engagement von Bob Katz: Der grammy-gekrönte Tonmeister ist für diese Spielart der Musik besonders begabt. Berg, dessen musikalische Neigungen von Barock bis Rock reichen und der mit der Musik der Siebziger aufgewachsen ist, hatte das Album schon eine ganze Weile im Sinn. Sein musikalischer Kompass für Produktionen ist ganz einfach, und er hat sich bewährt: „Wenn ich Gänsehaut bekomme, weiß ich, dass ich es machen muss.“
Und wer das Album hört, kann diese Begeisterung nachvollziehen. Vor allem, weil der monumentale Klang so differenziert rüberkommt: Da gibt es bewegende Versionen der Santana-Titel „Black Magic Woman“ oder „Samba Pa Ti“, ein feines Trompetensolo, das die Gesangsstimme in Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ übernimmt oder federnde impulsive Kraft in „In-A-Gadda-Da-Vida“ von Iron Butterfly. Bei den Deep-Purple-Songs „Speed King“ und „Smoke on the Water“ übernahm Tiffany Kirkland den Gesang; reine Instrumentalfassungen hatten sich die Lizenzgeber verbeten. Normalerweise übernimmt bei „D.O.O.R.“ das Saxofon die Melodiestimme.
Die CD könnte bei den „D.O.O.R.“-Fans auch die Wartezeit auf die nächsten Auftritte verkürzen. Das Musikprojekt ist inzwischen in vielen Kirchen zu Gast, aber etwa von Oktober bis Ostern gibt es keine Konzerte. In der kalten Jahreszeit sackt die Orgelstimmung ab, und das kann auch Brand-Hofmeister nicht immer ausgleichen, der schon mal ein ganzes Konzert einen Halbton höher gespielt hat. Wer sich mit Tasteninstrumenten nur ein klein wenig auskennt, weiß, welche Herausforderung das ist. Die anderen Bandmitglieder bringen ihre Instrumente mit, der Organist findet jeweils ein anderes vor. Und weil er zudem Orgelsachverständiger ist, kann er auch mal eine Kleinigkeit reparieren.
Mit Schnitzspahn bildet er den Kopf der Band, ohne die beiden geht es nicht. Dazu kommen Schlagzeug, Bass und Saxofon, das ist die Mindestbesetzung, die aber noch erweitert werden kann. Am Anfang hatten auch andere Pfarrer mitgespielt, inzwischen ist Gerhard Schnitzspahn der einzige Geistliche in diesem Ensemble, dessen Mitglieder aber alle einen kirchennahen Lebenshintergrund mitbringen. Auch wenn es sich nicht um geistliche Musik handelt und die Stücke nicht mit neuem Text versehen werden, steht „D.O.O.R.“ für eine Form der Verkündigung, sagt der Pfarrer. Die Verbindung des Kirchenraums mit einer Musik, die Erinnerungen der Zuhörer weckt, spricht die Menschen emotional an, hat er erlebt. „Sie fühlen sich zuhause“, und manchmal nutzt er eine Liedansage auch zu einem improvisierten geistlichen Impuls und plaudert beispielsweise über Dankbarkeit.
Die Band hat auch schon Kritik gehört: Solche Musik habe in der Kirche nichts verloren. Aber das ist die Ausnahme, weiß auch Richard Berg: „Bei den meisten Menschen geht das Herz auf, wenn so etwas in der Kirche möglich ist.“