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Auf der Suche nach dem Paradies

Alexandra Welsch/Darmstädter Echo

2. Mai 2017

FERNSEHGOTTESDIENST ZDF überträgt live aus der Johanneskirche / Bandprojekt D.O.O.R. rockt

Es könnte ein Stück aus dem Hippie-Musical „Jesus Christ Superstar“ sein, was da durch das Kirchenschiff schallt. „Gott schenkt Freiheit“, singt Mirjam Thöne mit hochtönig-kräftigem Organ zu der groovenden Beatmusik, die Schlagzeug, Bass, E-Gitarre und Kirchenorgel munter von der Empore schicken. Pfarrer Gerhard Schnitzspahn an der Front streicht beherzt die Akkorde in die Gitarrensaiten und singt mit. Ein besonderer Gottesdienst stand am Sonntagvormittag in der Johanneskirche an. Dass der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde mit dem sechsköpfigen Bandprojekt „Deep Organ On Rock“ (D.O.O.R.) an der Seite des jungen Organisten Bernhardt Brand-Hofmeister die christliche Botschaft außer predigend auch rockend übermittelt, war hier nicht das erste Mal zu erleben. Aber nun war das ZDF mit von der Partie, um den Rockgottesdienst mit dem Titel „Jenseits von Eden“ live ins Fernsehen zu übertragen. Scheinwerfer erhellen den Kirchenraum Das kündigt sich schon vor der Kirchenpforte an, denn der Johannesplatz ist zugeparkt von Übertragungs- und Techniklastwagen. Auch drinnen prägt die Aufzeichnung die Szenerie: Die Kirche strahlt angesichts etlicher Scheinwerfer noch heller, als sie es an diesem prächtigen Frühlingstag ohnehin schon tut. Und das Gotteshaus dürfte allein wegen des rund 30-köpfigen ZDF-Teams voller sein als üblich. Überall wuseln Männer und Frauen mit Headsets und Kameras herum. Doch bevor der Gottesdienst losgeht, steht ein Probedurchgang inklusive Soundcheck an. „Am Anfang bitte sitzen bleiben, auch wenn Sie es bei der Eingangsliturgie anders gewohnt sind“, erläutert Pfarrerin Elke Rudloff, Beauftragte für ZDF-Fernsehgottesdienste der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Das hat bildtechnische Gründe.“ Und als die Fernsehleute dann ein Lied mit Publikum proben, heißt es:„Auch wenn Sie das Gelübde abgelegt haben, dass Sie nie im Leben singen – dann bitten wir heute, mitzusprechen.“ Vom ersten bis zum letzten Ton spielt die Musik eine tragende Rolle in dem Gottesdienst, der sich mit der Sehnsucht nach dem Paradies beschäftigt. Von Iron Butterflys „In A Gadda da Vida“ bis zu „A Whiter Shade of Pale“ von Procol Harum unterstreichen die Musikstücke stimmungsvoll, was die Predigten und Lesungen thematisieren. Frisierte Profile dienen als Feigenblätter „Viele sehnen sich zurück ins Paradies“, setzt Pfarrer Schnitzspahn in seiner Predigt an. Und ähnlich wie Adam und Eva, die sich nach dem verbotenen Essen vom Baum der Erkenntnis voll Scham mit Feigenblättern bedeckten, würden heute Lebensläufe oder Profile in sozialen Netzwerken frisiert, um sich besser darzustellen. Darauf kommt auch Samuel Koch zu sprechen, Schauspieler am Staatstheater in Darmstadt, seit seinem Unfall bei „Wetten, dass“ gelähmt und bekennender Christ. „Der Baum der Erkenntnis steht heute vielleicht im Internet“, gibt er zu bedenken. Und als Feigenblatt diene die Selbstoptimierung, mit der man immer besser und schöner werden wolle. „Aber echte Erlösung, die liegt in eines anderen Hand“, befindet Koch. „Gott sorgt dafür, dass wir Adams und Evas von heute nicht verloren gehen“, bekräftigt Pfarrer Schnitzspahn. Sein Mantel aus Vergebung und Liebe halte uns wärmer als alle selbst gestrickten Versuche. Und als die Band dann die versöhnliche Nummer „What a Wonderful World“ anstimmt, klingt es fast, als sei Louis Armstrong wieder auferstanden – und es huschen etliche beseelte Lächeln in die Gesichter der Gottesdienstbesucher.

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