Kristin Weber/Hessisch-Niedersächsische Allgemeine
12. Mai 2024
Deep Organ on Rock verwandelte Kirche in eine Konzertarena
Rockhymnen am Altar
Deep Organ on Rock verwandeln die Liebfrauenkirche mit Orgel, Posaune und Stromgitarre in eine Rockarena
Von Kristin Weber
Witzenhausen. „Jetzt wird es gleich laut!“, warnte der Pfarrer Dr. Gerhard Schnitzspahn und griff zur Gitarre. Und das war ein Versprechen, das die Musiker von Deep Organ on Rock einzuhalten gedachten. Die ersten Töne gehörten der Kirchenorgel, ein bisschen Bach, Toccata, um die Pfeifen frei zu pusten. Dann setzten die Strom-Gitarren und die Bläser sowie das Schlagzeug ein mit „25 or 6 to 4“, einer Rock-Hymne von Chicago, die gleich ordentlich nach vorn ging. Die Posaunen übernahmen die Melodie, dagegen musste sich die Orgel durchsetzen. Im symphonischen Stil klang der Song gleich noch etwas fulminanter. Der
riesige Klangraum der Liebfrauen-Kirche tat sein Übriges, um auch noch die hintersten Plätze mühelos zu beschallen. „Die Menschen wünschen sich mehr moderne Musik in der Kirche“, sagte Bezirkskantor Christopher Weik. Das bekamen sie, und zwar mit Schmackes. Die alten
Herren rockten die Songs der 70ger und 80ger von „The Doors“, „Queen“ und „Manfred Mans Earth Band“. Bei „Light my fire“ durfte die Orgel wieder loslegen, da war entsprechend Druck dahinter. Stillhalten ging nicht. Selbst die gemeinhin eher zurückhaltenden Nordhessen
begannen nun zaghaft zu wippen, bis sich auch bei ihnen der Rhythmus durchgesetzt hatte.
Dass man in der Kirche richtig losrocken darf, ist ja auch erstmal ungewohnt, doch beim Sitztanz auf den Bänken wurde es schnell warm im kühlen Sandsteingemäuer. Das Akronym D.O.O.R. der Band aus Darmstadt steht für DEEP ORGAN ON ROCK, was an das Album
"Deep Purple in Rock" der gleichnamigen Gruppe erinnern soll. Ziel sei es, die Tür aufzustoßen zwischen alter und neuer Musik und ihren Instrumenten. Das Projekt des rockenden Pfarrers und des Konzertorganisten Bernhardt Brand-Hofmeister will damit neue
Wege im Bereich der Kirchenmusik beschreiten. Bei „Mighty Old Quinn“ durften alle mitpfeifen, während die Bilder auf der Leinwand verrieten: 1977 war das Jahr, in dem auch Star Wars und Superman in den Kinos über die Leinwand flimmerten. Da wurden bei vielen im Publikum Jugenderinnerungen wach. Im zweiten Teil wurde es psychedelischer mit
großartigen Klangerlebnissen von Santana, Deep Purple und Led Zeppelin. „Child in Time“, die Mutter aller Protestsongs lehnte sich damals gegen den Vietnam-Krieg auf. Auch zu dieser
Zeit gab es schon das Gefühl, das Ende der Welt sei nahe, aber anstelle sich in den sozialen Medien gegenseitig zu zerfleischen setzten die Leute lieber ihre Kreativität frei und erschufen diese epischen Melodien. Da kann das hilflose Geträller beim Eurovision Song Contest heute
nicht mithalten. „Stairway to heaven“ oder „A whiter shade of pale“ durften in der Kirche natürlich nicht fehlen. Am Ende hielt es die älteren Semester endgültig nicht mehr auf ihren Sitzen. Ausgelassen rockten sie zu „Smoke on the Water“ - und all die Ahnen der von Bodenhausen und Berlepsch in ihren Gräber tanzten mit.