Nauheim Online
13. Okt. 2024
Evangelische Kirchengemeinde Konzert
"Wir haben Weihnachten." Mit der voller Freude geäußerten Übertreibung und einem schelmischen Blick in das Gotteshaus spielte Küsterin Brigitte Daum am Samstagabend auf den guten Besuch bei einem nicht alltäglichen Orgelkonzert an.
Es war, wie meist an Weihnachten, tatsächlich kaum noch ein Platz zu bekommen, als eine Gruppe gestandener Männer ihr Musikprojekt D.O.O.R. anstimmte. Sogar auf der Empore der illuminierten Kirche wurde es eng.
Mit "Deep Organ On Rock" (D.O.O.R.) ließen sie die Kirchenorgel, begleitet von E-Gitarren, Bass, Bläsern und Drums, erklingen wie noch nie.
Hörgeräte ablegen
Die Melodien und der Sound des Rock aus den 1970er Jahren hatte das Zeug, dafür zu sorgen, dass die Besucher den Rat von Pfarrerin Stefanie Bischof ernst nehmen würden: Sie sollten "ihr Hörgerät ablegen", damit ihnen die hohen Phonzahlen nicht um die Ohren fliegen, empfahl sie bei der Begrüßung.
Nun, sooo alt schien das im Lauf des Konzertes zunehmend begeistert wirkende Publikum nun auch wieder nicht. Um es über einen Kamm zu scheren: Es waren überwiegend Menschen zwischen geschätzten 55 und 70 Jahren, deren Musikgeschmack nicht mehr ganz vom Flower- Power der 1960er beeinflusst scheint, die aber noch wissen, was gute, echte Musik ist, wie sie in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts gespielt wurde: handgemacht.
Vor allem, wenn da eine Band agiert, die dafür sorgt, dass bei Manfred Manns Mighty Quinn, Freddy Mercurys Bohemenian Rhapsody oder bei In A Gadda Da Vida von Iron Butterfly im gut temperierten Gotteshaus wohlige Gänsehaut- Momente entstehen.
Kirchenbeben
Die entwickelten sich vor allem im zweiten Teil des fast zweistündigen Auftritts, als Songs im Stil von Carlos Santana und Deep Purple die Kirche zum Beben brachten.
Angefangen bei Black Magic Woman, typischerweise übergehend ins mitreißende Gypsy Queen und in das pulsierende Oye Como Va, bevor bei Deep Purples Child in Time besonders das Orgelspiel von D.O.O.R-Impresario Bernhardt Brand-Hofmeister auf dem Prüfstand stand.
Der 1983 in Darmstadt geborene Kirchenmusiker, Konzertorganist, Komponist, Orgelsachverständige und hauptamtliche Organist an der Evangelischen Johannes-Kirche in Darmstadt brillierte mit all seiner Erfahrung an dem barocken Instrument, dem er die in der Kirche die ach so fremden, bluesig-rockigen Töne entlockte.
Sicher - nach Jon Lord, dem Gründungsmitglied und Organist von Deep Purple, klang das nicht, was aber nicht am Musiker, sondern eben am Instrument lag. Die 100 Jahre alte Förster & Nicolaus-Orgel ist eben keine Hammond Orgel.
Später am Abend sollten Klassiker wie Samba Pa Ti und Smoke on the Water nicht fehlen, ebenso waren schmusige Songs wie Music Was My First Love geeignet, die Fans in Erinnerungen an ihre Jugend schwelgen zu lassen - stets untermalt vom außergewöhnlichen Klang der Orgel.
Reizvolle Vergleiche
Das war der Reiz dieses Musikabends, dem dritten in der Folge einer Hommage an das alte Instrument in der Evangelischen Kirchengemeinde und seines 100. Geburtstags. Vergleiche werden möglich:
Im Mai schon lockte der Virtuose Ulfert Smidt die barocken Klangfarben der heimischen Orgel hervor
Im Juni war es der Part von Christian Hopp, dem angestammten Organisten der Kirchengemeinde, das Instrument romantisch-verspielt erklingen zu lassen
• Nun also das D.O.O.R.-Projekt, über das Sie hier noch weitaus mehr erfahren können.
Dessen Musikern mit kirchlichem Hintergrund war es ein wichtiges Anliegen, auf das Verbindende ihrer bevorzugten musikalischen Stilrichtung hinzuweisen - inspiriert von der Zeit des "Make Love, not War" und angetreten, friedliche Botschaften in die Welt zu transportieren. Nicht nur mit Led Zeppelins Stairway in Heaven (sic!) sollte das "Vertrauen in Gott" zum Ausdruck kommen.
Für das selbst in der Musikgemeinde beispiellose Erlebnis sorgte Küsterin Brigitte Daum, die für eine abwechslungsreiche Konzertreihe verantwortlich zeichnet.
Noch mit einem weiteren Höhepunkt lockt sie im Jahr des Kirchenorgel-Jubiläums in das Gotteshaus.
Am Samstag, 30. November, laden die Protestanten ab 17 Uhr zum adventlichen Konzert mit Pascal Mosler, dem Organisten der Büttelborner Kirchengemeinde, ein.
Die Orgelpfeifen werden dann wieder gemäßigtere Töne von sich geben. Und Weihnachten ist dann ja auch noch nicht, obwohl sich ein Konzertbesuch sicherlich wieder lohnen dürfte.